Christopher Price ist ein Veteran im Bereich der Tonaufnahmen. Der Brite absolvierte zunächst ein Studium der Ingenieurswissenschaft am Brasenose College in Oxford. Seit Mitte der 1970er Jahre arbeitete er als Tontechniker und später als Tonmeister und Boom Operator. Price wirkte unter anderem an “Die unendliche Geschichte I+II”, “Rossini” und “Schtonk” mit. 1993 gründete er die Ambient Recording GmbH, die sich auf Lösungen für Timecode-Synchronisation spezialisiert. Inzwischen ist er Besitzer eines Weinguts in Portugal, wo er seit 2006 Bio-Wein produziert. Das hält ihn aber nicht davon ab, sich weiterhin leidenschaftlich mit Workflow-Optimierungen im Produktionsablauf zu beschäftigen. Der von ihm verfasste Essay zum Thema On-Set Metadaten-Management von 2011 beleuchtet den digitalen Fortschritt am Filmset und geht dabei der Frage nach, wie die anfallenden Metadaten automatisch verarbeitet werden können. Was er damals nicht ahnte: Er hat damit die Entwicklung von easySCOTT gewissermaßen vorskizziert.
Die Film-Klappe: der Metadaten-Archetyp
Die alten Filmkameras verschwinden, während datenbasierte Aufnahmemethoden für Bild und Ton inzwischen Standard sind. Anders als analoge Kameras zeichnen ihre digitalen Pendants wesentlich mehr Zusatzinformationen auf: die sogenannten Metadaten. Diese Zusatzinformation (oder eben Metadaten) werden von Script/Continuity erfasst, werden einer gedrehten Szene zugeordnet und unterstützen die Postproduktion bei der Zuordnung des gedrehten Materials und dem letztlichen Schnitt. Eine Script/Contintuity-Software, die Daten automatisch digital erfasst, überträgt und sammelt, sollte Grundstein eines jeden Metadaten-Systems sein.
Vielleicht ist es deshalb angebracht, einen Blick auf den ursprünglichen Metadaten-Träger am Set zu werfen, der analog das tut, was die automatische Lösung digital bewerkstelligen soll: die Klappe. Eine typische Klappe besitzt eine Schreiboberfläche und ein Schlagholz, der beim Zusammenschlagen ein charakteristisches Klappern verursacht. Die Klappe enthält außerdem wichtige Informationen über die zu drehende Szene: Zum einen statische Angaben wie Produktionsname, Filmtitel, Regisseur und Kameramann/-frau. Im Gegensatz dazu werden dynamischen Informationen bei jeder Einstellung von Script/Continuity angesagt und vom Zweiten Kameraassistenten (Clapper Loader) eingetragen: Dazu gehören die Filmrollen-, Szenen- und Take-Nummer, Soundinformation sowie Tag- oder Nachtaufnahme. Die Continuity beaufsichtigt und überprüft die Angaben. Die Timecode-Klappe ist eine Erweiterung und zeigt eine durchlaufende Zeit (Timecode) an, die am Anfang jeder Bildaufnahme zur späteren Synchronisation mit anderen Kameras oder Tongeräten mit aufgezeichnet werden.
Das funktioniert folgendermaßen: Sobald die Szene drehbereit ist, werden Kamera- und Tonaufnahme gestartet. Der Regisseur gibt das Signal zum Dreh. Der Zweite Kameraassistent hält dann die Tafel so vor die Kamera, dass sie abgefilmt werden kann und das Zusammenschlagen der Klappe sichtbar ist. Gleichzeitig wird bei der Klappe die Szenen- und Take-Nummer laut vorgelesen. Das Klappen-Schlagen dient später dazu, Szene- und Take-Nummer des entsprechenden Clips zu identifizieren und Ton und Bild zu synchronisieren. Zum selben Zeitpunkt startet die Continuity die Stoppuhr und misst die Aufnahmezeit der Szene. Sobald der Regisseur “Cut” ruft und der Dreh stoppt, fragt die Continuity den Fokus Puller/Kameraassistenten nach der Länge des verdrehten Materials oder nach dem aufgebrauchten Speicher, Linseninformationen und eventuelle technische Probleme. Der Zweite Kameraassistent wird die Continuity über den verbleibenden Speicher informieren. Schließlich entscheiden am Ende der Szene Regisseur und Continuity welche Takes kopiert werden.
Diese analoge Art Metadaten zu sammeln ist relativ einfach bei nur einer Kamera, wird aber umso komplizierter, je mehr Kameras involviert sind: Kameraleute, Ton und Continuity müssen regelmäßig untereinander kommunizieren, um die Daten zu verifizieren. Eine automatisierte Lösung für Metadaten wäre in solchen Szenarien besser geeignet.
Automatische Übertragung und Sammlung von Metadaten
Eines ist klar: Eine automatisierte Verarbeitung von Metadaten würde die Arbeit der Continuity erheblich erleichtern und beschleunigen. Doch noch gibt es keine universelle Methode der automatischen, kabellosen Metadatenübertragung. Bisher können sie nur umständlich manuell in einzelne Kameras oder Audiorekorder eingegeben werden – was faktisch aber nur die Tonmeister machen. Denn für Audiodaten-Header gibt es den iXML-Standard, der für Filmkameras nicht existiert. Lediglich der Timecode kann als einziges synchrones Metadatum über verschiedene Geräte und Hersteller hinweg zur Synchronisation herangezogen werden.
Die bereits genannten statischen und dynamischen Informationen sind neben den Zeitvariablen wie Start- und Stoppzeit von Kamera und Soundaufnahme, Dauer des Takes in Ton oder Bild, Linsenbewegung während der Einstellung und verbleibender Speicher auf der Kamera für ein automatisches System grundlegend. Alle Kameras und Tonaufnahmen sollten deshalb durch einen gemeinsamen Timecode verbunden sein. Dies hilft bei der Synchronisation und erlaubt, dass Informationen eindeutig in einer Timeline von verschiedenen Script/Continuity Programmen angezeigt werden können. Besonders nützlich wäre in diesem Zusammenhang eine Art Timeline: Sie kann herangezogen werden, um die Dauer von Takes zu berechnen, Ereignisse zu markieren und die Übertragung und den Empfang von Daten zu kontrollieren.
Equipment für ein Datenverteilungsnetzwerk am Set
Eine Lösung wäre, die Metadaten über bereits vorhandene Anschlüsse und Ein-/Ausgänge an Smartphones oder Tablet-PCs zu nutzen. Dadurch können bestehende professionelle und halbprofessionelle Geräte ohne Kompatibilitätsprobleme in das System integriert werden. Wichtig für den Erfolg eines solchen Systems ist seine Einfachheit, ein fehlerloses Funktionieren, und vielleicht noch wichtiger, ein gemeinsames Interfacing mit Equipment und Script-Continuity-Software. Um dies zu gewährleisten, wären zwei Elemente dazu nötig: Ein Metadaten-Sender, der mit Kameras und Tonaufnahmegeräten kompatibel ist, und eine Art „On-Set Master Box“ (Metadaten-Empfänger) für das Funknetzwerk.
Der Metadaten-Sender wird über TC-Eingänge und -Ausgänge an das Equipment gekoppelt und kommuniziert mit dem Equipment mittels Datenaustausch über die User Bits des LTC. Die TC-Eingänge und -Ausgänge bieten den Vorteil, dass sie zum Großteil an professioneller Ausrüstung vorhanden sind und lediglich Software-Modifizierung benötigen.
Folgende Eigenschaften sollte die Sender-Box haben:
- klein und handlich
- mindestens zwölf Stunden Betriebszeit der Batterie
- hochpräziser Timecode-Generator und genaues Uhrwerk mit möglichst geringer Abweichung, synchronisierbar über Funk um der Phase exakte Synchronisationssignale zu geben
- Netzwerk mit wenigstens 100 Metern Reichweite, um Daten- und Zeittaktung zwischen Metadaten-Sendern synchron zu halten; als Protokoll eignen sich Zigbee, WLAN oder ein anderes Protokoll.
Notwendige Ein- und Ausgänge:
- externe Stromversorgung
- LTC-Eingang/-Ausgang mit variablem Level; Klinkenbuchse (3,5mm)
- Allzweckeingabe-/Ausgabe, davon sollte mindestens einer von GPI und GPO eine Klinke sein.
- Standard Timecode Lemo Interface
- USB für Log-Download oder Computerverbindung für Continuity/Script
- Antenne für das Datennetzwerk, bevorzugt sub-Ghz ISM, damit Störungen mit den drahtlosen Bluetooth Focus Bedienungen usw. vermieden werden.
- Log-Funktion. Für das Backup könnte die Universalbox einen Speicher für alle Meldungen enthalten, die sie während eines Drehtags gesendet hat. So stellt sie letztendlich ein Backup für den Rechner der Script/Continuity zur Verfügung.
Die „On-Set Master Box“ enthält einen Timecode-Funk mit Net-Protokoll und WLAN oder ein Bluetooth mit großer Reichweite und könnte mittig am Drehort platziert werden. Dadurch können die Scripts/Continuitys diese Daten in ihre eigenen angebundenen Rechner einspeisen. Ein Transponder/Repeater würde als “Time Master” fungieren: Er sendet die exakte Zeit und kontrolliert das Netzwerk. Dabei arbeitet er automatisch und vergrößert die Reichweite, da er zentraler am Drehgeschehen positioniert werden kann als die Script/Continuity selbst.
Die Set Master Box ist bei Drehs in einem Studio oder anderen eingegrenzten Umgebungen nicht notwendig. In einem solchen Fall müsste der Metadaten-Sender einen umschaltbaren “Master Modus” im Netzwerk haben und über USB-Anschluss an einen Computer angeschlossen werden oder aber Audio-Input von einem Tablet mit einem LTC-Decodier/-Codiermodul haben.
Kommunikation zwischen Sender und Equipment
Es ist von Vorteil, die LTC-Eingänge und -Ausgänge zum Datentransfer für den Metadaten-Sender zu verwenden: Das LTC-Signal enthält bereits Zeitdaten, aber auch vier Bytes (das entspricht vier ASCII-Zeichen) an User Bits pro Frame. Je nach Framerate entspricht das 96-120 Zeichen pro Sekunde. Diese Übertragungsrate mag langsam erscheinen, ist aber mehr als ausreichend um asynchrone Meldungen zu senden. Zudem liegt das LTC-Signal im Spektrum der Audiofrequenz und kann in Software decodiert werden, sobald sie über den Audio-Eingang, also den Mikrofoneingang eines Computers, eingespeist wird. Über den Audio-Ausgang, also die Kopfhörerbuchse, können Meldungen wiederum gesendet werden. Innerhalb des LTC-Signals würde der Timecode so intakt bleiben; da er in allen Boxen synchron ist, kann er zur Kontrolle von Datenempfang und -versand im Netzwerk genutzt werden.
Mit der Onboard Uhr würde die Übertragung eines synchronisierenden Taktes jede Sekunde, beginnend bei Frame 0 des Timecodes durch das Netzwerk garantieren, dass alle Boxen den Zeittakt erhalten. Die gleichlaufende Zeit in jeder Box ließe sich für Zeitteilung nutzen und so die Sende- und Empfangszeiten des Funknetzwerks multiplexen. Ein exakter Timecode ermöglicht zudem ein genaues Logging von zeitsensiblen Nachrichten. GPIO/Allzweckeingabe/-ausgabe oder andere Signale könnten zum Einschalten oder Überwachen von Geräten dienen. Die Start- und Stoppzeiten der Kamera würden nicht erst gesendet, wenn die Kamera angeschaltet wird. Nehmen wir an, dass Kamera 1 bei 15:25:35:15/ beginnt zu drehen. Diese asynchrone Nachricht bedeutet, dass Kamera 1 bei 15 Stunden, 25 Minuten, 35 Sekunden und 15 Frames gestartet ist. Obwohl diese Nachricht zeitverzögert am Tablet der Script / Continuity ankommt, kann sie korrekt in die Timeline eingegeben werden. Es wäre vorteilhaft, zusätzlich eine interne Software zu entwickeln, die die Zeit oder asynchrone Nachrichten einfügen oder von einem LTC-Signal extrahieren kann. Diese Software sollte kostenlos sein, damit Entwickler von Continuity-Software Programme schreiben können, die diese Nachrichten aus dem LTC-Signal verwenden und übertragen können, ohne das System berücksichtigen zu müssen, das von Kameras und Audiorekordern verwendet wird. Das System könnte so von jedem und jeder genutzt werden, solange sie den Metadaten-Sender als Schnittstelle benutzen.
Fazit
Wenn man vorliegende Infrastruktur mit wenigen Modifikationen nutzt, können Metadaten einen wertvollen Beitrag für die reibungslose Arbeit am Set und in der Postproduktion leisten. Das haben auch einige Hersteller erkannt: Inzwischen gehen Hersteller von Timecode-Equipment das Problem an, Metadaten zu sammeln und zu verbreiten. Gleichzeitig ist das Interesse anderer Unternehmen gestiegen, Programme und Apps für Scripts und Continuitys zu entwickeln, unter anderem easySCOTT und Movieslate. Die Entwicklung von der Klappe aus Holz zum automatischen Metadatenstrom hat gerade erst begonnen.
Christopher Price
Boa Vista Engineering
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