Garikoitz John arbeitet seit seinem Studium der Medienwirtschaft als Continuity. Erst kürzlich sorgte er für saubere Anschlüsse bei der arte-Serie „About Kate“. Nächstes Jahr erscheint das internationale Projekt „White Lies“. Weil er mit der alten Zettelwirtschaft unzufrieden war, suchte er nach einer Möglichkeit, sich die Arbeit zu erleichtern – und entwarf seinen eigenen digitalen Workflow. Mit uns hat er über die Herausforderungen bei der Continuity-Arbeit und die digitale Zukunft in der Branche gesprochen.
Garikoitz, was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen bei der Arbeit als Script/Continuity?
Man kann sich nur bis zu einem bestimmten Punkt vorbereiten- letztendlich arbeitet man in Realzeit: Die Kamera ist aufgebaut, die Schauspieler sind bereit, die Kostüme fertig. Dann wird gespielt und erst da fängt die Arbeit für mich an. Man kann zwar zuschauen, während der Take eingerichtet wird: Ist alles am richtigen Platz, haben sie die richtigen Klamotten an? Aber die klassischen Dinge wie welche Handlung wann stattfindet, wie lang die Zigaretten sind – das passiert alles während dem Dreh.
Manchmal gibt es vorab nicht einmal eine Probe: Zum Beispiel hat man eine Essensszene mit sechs Leuten. Jeder isst, der ganze Tisch ist gedeckt, alle rauchen oder machen etwas. Normalerweise ist das kein Problem, weil es ja im Drehbuch steht und man nicht überrascht wird. Problematisch ist es, wenn die Handlungen nicht abgesprochen sind. Der Take geht dann vielleicht zwei, drei Minuten und man versucht, sich alles mitzuschreiben und hofft auf einen zweiten Take. Den gibt es aber nicht immer
Auf Anschlüsse zu achten ist deine Kernaufgabe. Aber du musst dich ja auch um den Script-Teil kümmern – das heißt Listen schreiben, damit der Cutter in der Post weiß, was inhaltlich zu welchem Clip gehört. Du hast dafür selbst digitale Workflows erstellt – wie sieht deine Lösung aus? Welche Bestandteile hast du verwendet, wie hast du sie zusammengebaut und wie arbeitest du damit?
Ich habe bei meiner Lösung nach einer Möglichkeit gesucht, sämtliche Berichte auch per iPad am Set zu erstellen. Deshalb habe ich mir in verschiedenen Apps Vorlagen gebaut, sodass ich die Berichte direkt in digitaler Form habe.
Insgesamt benutze ich drei Apps: Pages verwende ich für meine Cutterberichte, das erlaubt mir am einfachsten zu schreiben, außerdem generiert es direkt DIN A 4 Seiten. Numbers verwende ich für Tagesberichte. Die dritte App ist Skitch – ein klassisches Fotobearbeitungsprogramm, das ich für Anschlussfotos nehme. In Skitch lassen sich die Bilder beschriften. Ich schreibe Angaben wie Szenenname, Drehzeit, Handlung in die Fotos und habe auf dem iPad die Möglichkeit, sie nach Spieltagen zu ordnen. Bei Projekten wie About Kate mit über fünfzig Drehtagen muss man sich schließlich ein System überlegen. Anderenfalls hat man 400 Fotos und keine Ahnung, welche davon relevante Informationen enthalten. Wenn man einen Fotodrucker hat, kann man sich die Bilder natürlich ausdrucken – einige Continuitys machen das auch. Allerdings verursacht das mehr Kosten und eine längere Nachbereitungszeit.
Als Vorlage habe ich den klassischen Cutterbericht nachgebaut. Der Vorteil ist, dass er viele Informationen enthält, die sich nicht ändern, wie der sogenannte Kopf mit Infos wie Name des Films, Regisseur, Kamera, Datum oder Drehtag. Am Morgen muss das einmal gemacht werden. Der Rest ist Copy&Paste. Dadurch sind die Berichte viel leserlicher. Bei digitalen Berichten ist alles klar und man kann sie einfach als PDF schicken, egal wo man ist. Auch Kopien lassen sich schnell anfertigen oder zusätzliche Informationen einfügen. BeiAbout Kate hatte ich den Fall, dass jemand zusätzlichzum Clipnamen denTimecode haben wollte. Wenn man eine feste Vorlage hat, kann man einfach eine weitere Spalte einfügen und hat das dann erledigt.
Werden die Informationen aus diesen Programmen kombiniert oder stehen diese isoliert?
Ich habe es nicht für nötig gehalten, sie zu verbinden, weil die einzelnen Infos für verschiedene Leute sind. Die meisten Informationen aus dem Tagesbericht haben imCutterbericht nichts zu suchen und umgekehrt. Einige Sachen gibt man doppelt ein – die Anzahl der Einstellungen oder der kopierbaren Bilder werden für den Tagesbericht aus dem Cutterbericht extrahiert. Aber das geht so schnell, dass ich dafür keine extra Lösung gesucht habe.
Aus deiner beruflichen Erfahrung heraus: Was magst du an deiner Make-Shift-Lösung und was fehlt dir noch?
Zum einen ist sie klar und gut lesbar – es wird nie passieren, dass die Fünf wie eine Sechs aussieht. Vor allem ist sie duplizierbar. Das ist gerade heute, wo man digital dreht und Cutter und Cutter-Assistent teilweise nicht am gleichen Ort sind besonders wichtig. Wenn man einen Papierbericht hat, muss das zuerst zum Cutter-Assistent1en und dann zum Cutter geschickt werden. Dabei werden die Daten durchaus gerne auch von anderen wie den Kameraleuten oder dem Regisseur benutzt. Heute können sie sich das Material wie die Dailys bei Bedarf von einem Server oder der Dropbox herunterladen und haben die Möglichkeit, auch die Berichte gleichzeitig abzurufen um die Informationen zu den Takes zu sehen.
Zum zweiten geht alles viel schneller. Beim Tagesbericht hat man ursprünglich ein Papier abgegeben und das musste von verschiedenen Leuten unterschrieben werden. Im Zeitalter der Smartphones gibt es eine große Flexibilität – zehn Minuten nach Drehschluss kann ich meine Berichte abgeben und muss nicht auf jemanden warten, der das Material abholt und zum Cutter-Assistenten bringt, der vielleicht noch im Stau steht.
Schick wäre, einzelne Takes auf das iPad ziehen zu können. Wenn Takes kommen, die schwieriger sind als gedacht – alle laufen wild umher, es gibt Dutzende von Requisiten oder es wird nicht geprobt – dann wäre es schön, die Szene zu haben, auch wenn es keinen Monitor am Set gibt, der den Take aufzeichnet. Und selbst wenn es Monitore gibt: Meistens fehlt die Zeit, sich den Take noch einmal zeigen zu lassen.
Das Interview geht weiter, den zweiten Teil findest du hier!